Unterhalt/Unterhaltsrecht

Wann ist der Anspruch auf Kindesunterhalt verwirkt?

Verwirkung des Kindesunterhalts
Bild: © PTstock / shutterstock.com
Verwirkung des Kindesunterhalts
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Nicht selten erfahren Väter erst nach vielen Jahren, dass sie ein Kind haben. Grund dafür ist beispielsweise, dass die Beziehung mit der Kindsmutter im Bösen endete oder man nach einem One-Night-Stand getrennte Wege gegangen ist. Fordern die Kinder bzw. ihre Mütter erst Jahre nach der Kindsgeburt Unterhalt, stellt sich die Frage, ob der „frischgebackene“ Vater die geforderten Beträge tatsächlich zahlen muss.

Sohn verlangt Unterhalt für die vergangenen 25 Jahre
Erst kurz nach dem Tod ihres Ehemannes erzählte eine Witwe ihrem 25-jährigen Sohn, dass nicht der Verstorbene, sondern ein anderer Mann sein biologischer Vater ist. Der junge Mann verlangte daraufhin von seinem leiblichen Vater für die vergangenen 25 Jahre rückwirkend Kindesunterhalt.

Schließlich sei er von dem Verstorbenen nicht unterhalten worden. Im Übrigen habe er den Unterhalt nicht vorher geltend machen können, da seine Mutter ihm jahrelang seinen leiblichen Vater vorenthalten habe. Letztendlich habe er auch Anspruch auf Ausbildungsunterhalt. Er befinde sich zurzeit nämlich in einer Ausbildung zum Metallbauer.
Sein Vater dagegen lehnte jegliche Zahlung ab. So sei der Kindesunterhalt bereits verwirkt. Auch ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt bestehe nicht. Immerhin habe sein Kind nach dem Schulabschluss jahrelang nur Hilfstätigkeiten bei einem Unternehmen und eine berufsvorbereitende Schulung gemacht, bevor er eine Ausbildung begonnen und diese zwei Jahre später wieder abgebrochen habe. Danach habe er ein weiteres Jahr einen neuen Ausbildungsplatz gesucht. Dies zeige deutlich, dass sein Sohn seine Ausbildung nicht zielstrebig verfolgt habe, weshalb er auch keinen Ausbildungsunterhalt verlangen könne. Daraufhin zog der Sohn vor Gericht.

Der Minderjährigenunterhalt ist verwirkt
Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken lehnte einen Anspruch des Auszubildenden auf rückständigen Kindesunterhalt ab. Grundsätzlich kann Kindesunterhalt unter anderem gemäß § 1613 II Nr. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) auch für die Vergangenheit verlangt werden (Achtung: Für die Zeit vor dem Inkrafttreten des § 1613 II Nr. 2 BGB am 01.07.1998 galt § 1615d a.F. BGB). Schließlich entsteht die Unterhaltspflicht eines Vaters bereits mit der Geburt seines Kindes. Das setzt allerdings voraus, dass die Vaterschaft geklärt ist – ist das nicht der Fall, muss der Mann, der als Erzeuger infrage kommt, noch keinen Unterhalt zahlen. § 1613 II BGB bzw. § 1615d BGB verhindert jedoch, dass die Unterhaltsansprüche ab der Geburt bis zur Vaterschaftsfeststellung wegfallen – generell kann der Berechtigte vielmehr nach Klärung der Vaterschaft den fälligen Unterhalt rückwirkend verlangen.
Vorliegend waren sämtliche Ansprüche jedoch verwirkt. Das bedeutet, dass der an sich bestehende Anspruch verloren gegangen ist, der Sohn wegen seiner verspäteten Zahlungsaufforderung also keinen Unterhalt mehr verlangen kann. Voraussetzung ist allerdings, dass der Berechtigte sein Recht zuvor über längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er hierzu in der Lage gewesen wäre, und dass der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und einrichten durfte, dass dieses Recht auch in Zukunft nicht eingefordert wird.
Der leibliche Vater hat 25 Jahre lang nichts von seinem Kind gewusst. Die Kindsmutter hatte ihn weder über die Schwangerschaft noch über die Geburt informiert. Ferner hat sie es unterlassen, seine Vaterschaft klären zu lassen, um gegen ihn Ansprüche auf Kindesunterhalt geltend machen zu können. Auch waren keine Gründe aus dem Verantwortungsbereich des Vaters ersichtlich, die eine Geltendmachung der Unterhaltsansprüche vereitelt oder erschwert hätten, wie z. B. ein Auslandsaufenthalt. Diesem war es somit gar nicht möglich, etwaige Unterhaltsverpflichtungen bei seiner Lebensführung und seiner Einkommensverwendung zu berücksichtigen. Vielmehr muss sich der Sohn das Verhalten seiner Mutter zurechnen lassen – sie hat es als gesetzliche Vertreterin des Kindes versäumt, den Minderjährigenunterhalt rechtzeitig geltend zu machen, obwohl ihr dies ohne Weiteres möglich gewesen wäre.

Kein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt
Auch einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt verneinte das Gericht. Grundsätzlich haben volljährige Kinder nur Anspruch auf Unterhalt, wenn sie ihren eigenen Lebensunterhalt wegen des Schulbesuchs, einer Ausbildung oder eines Studiums nicht selbst bestreiten können. Um ihren Anspruch jedoch nicht zu verlieren, müssen die Volljährigen ihre Berufsausbildung zielstrebig verfolgen – sie also in angemessener Zeit aufnehmen und erfolgreich beenden. Zwar wird den jungen Erwachsenen eine gewisse Orientierungsphase zugebilligt, da sie kurz nach dem Schulabschluss häufig noch nicht genau wissen, was sie lernen bzw. studieren möchten.
Vorliegend hat sich der 25-Jährige nach seinem Schulabschluss jedoch nicht ernsthaft um eine Ausbildung bemüht, sondern unter anderem nur Hilfstätigkeiten ausgeübt sowie eine begonnene Ausbildung zunächst abgebrochen und erst nach einjähriger Suche nach einem Ausbildungsplatz wieder aufgenommen. Da er mit 25 Jahren noch keinen Abschluss „in der Tasche“ hatte, war das Gericht der Ansicht, dass der Auszubildende seiner Pflicht, die Berufsausbildung fleißig und zielstrebig zu verfolgen, nicht nachgekommen ist. Das wiederum führte zum Verlust des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt.
(OLG Saarbrücken, Beschluss v. 21.07.2014, Az.: 9 WF 49/14)

Autorenprofil

Sandra-Voigt-Assessorin

Sandra Voigt
Assessorin, Redakteurin

Juristische Redaktion
anwalt.de – service AG

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