Haben auch Nicht-Verwandte ein Umgangsrecht?
Trennt sich ein Paar, muss der Elternteil, bei dem die gemeinsamen Sprösslinge leben, deren Umgang mit dem anderen Elternteil fördern. Doch manchmal haben Kinder auch Bezugspersonen, mit denen sie nicht verwandt sind. Hier stellt sich die Frage, ob diese Dritten ebenfalls den Umgang mit dem Kind verlangen können – und zwar selbst dann, wenn zwischen ihnen und dem Kind seit längerem kein Kontakt mehr zustande gekommen ist.
Exfreund der Mutter will Umgang mit ihrem Kind
Ein Paar, das über längere Zeit eine Wochenendbeziehung geführt hatte, trennte sich.
Kurz darauf wurde die Frau von einem anderen Mann schwanger. Sie erzählte ihrem Exfreund davon und nahm die Beziehung mit ihm wieder auf. Nach der Geburt einer Tochter erkannte der leibliche Vater die Vaterschaft an. Knapp viereinhalb Jahre später trennte sich die Mutter erneut von ihrem Freund und heiratete im Jahr darauf einen anderen Mann. Erst zwei Jahre nach der Trennung verlangte der Exfreund gerichtlich den Umgang mit dem Mädchen, für das er nach eigenen Aussagen jahrelang lang die Vaterrolle übernommen habe.
Die Mutter lehnte einen Umgang des Mannes mit ihrer Tochter ab. Erstens sei diese nach der Heirat der Mutter endlich in ihrer neuen Familie zur Ruhe gekommen. Zweitens lehne das Kind selbst jeglichen Kontakt zu dem Exfreund der Mutter ab, da sie sich an den Mann nicht mehr erinnern könne, es mithin zur Entfremdung gekommen sei. Im Übrigen habe der Exfreund gar keine Vaterrolle übernommen. Stattdessen habe er nur jedes zweite Wochenende vorbeigeschaut und sich dann auch nicht in den Haushalt der Mutter eingebracht, also z. B. nicht bei der Hausarbeit geholfen und sie auch nicht finanziell unterstützt. Letztendlich pflege ihre Tochter bereits regelmäßigen Kontakt zu ihrem leiblichen Vater – der Umgang mit einer weiteren Person würde das Kind nur unnötig belasten.
Umgang entspricht nicht dem Kindeswohl
Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) lehnte ein Umgangsrecht des Mannes mit der Tochter seiner Exfreundin ab. Zwar kann unter Umständen auch Personen, die nicht mit dem Kind verwandt sind, nach § 1685 II BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ein Umgangsrecht zugestanden werden. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um eine Bezugsperson handeln muss, die für das Kind tatsächlich Verantwortung trägt bzw. getragen hat, mithin eine sozial-familiäre Bindung zwischen den beiden besteht. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn das Kind und seine Bezugsperson über längere Zeit in demselben Haushalt zusammengelebt haben. Ferner muss der Umgang dem Kindeswohl dienen.
Vorliegend war das OLG der Ansicht, dass ein Umgang mit dem Exfreund der Mutter nicht dem Wohl des Kindes dient. So waren seit dem letzten Kontakt der beiden mehr als zwei Jahre vergangen – das nunmehr sechsjährige Mädchen konnte sich an den früheren Partner der Mutter nicht mehr erinnern. Bereits aus diesem Grund war eine sozial-familiäre Bindung zwischen den beiden abzulehnen; es war nicht ersichtlich, inwiefern der Umgang mit einer – für das Mädchen – „fremden“ Person der Kindesentwicklung förderlich sein sollte. Ob die Wochenendkontakte für eine sozial-familiäre Bindung genügt hätten, also ob der Antragsteller in dieser Zeit tatsächlich die Verantwortung für das kleine Mädchen getragen hat, konnte deshalb laut OLG dahinstehen. Hinzu kam, dass die Kleine regelmäßigen Kontakt zu ihrem Erzeuger hatte. Zu viele Umgangskontakte können aber für Kinder belastend sein – das gilt vor allem dann, wenn der „Umgangstourismus“ dazu führen würde, dass dem Kind keine Zeit mehr für die eigenen Interessen und Hobbies bleibt.
Übrigens: Allein der entgegenstehende Wille der Mutter und auch deren Tochter hätte keine pauschale Ablehnung eines Umgangsrechts gerechtfertigt. So wies das OLG unter anderem darauf hin, dass ein autonomer Kindeswille zumeist ohnehin erst ab dem ca. 12. Lebensalter als „zuverlässige Entscheidungsgrundlage“ herangezogen werden kann. Und da das Umgangsrecht eines nicht blutsverwandten Dritten erheblich in das Erziehungsrecht der Eltern nach Art. 6 GG (Grundgesetz) eingreift, hätte der Umgangsberechtigte auf alle Fälle jegliches Verhalten vermeiden müssen, das bei dem Kind zu einem Loyalitätskonflikt führen könnte.
(Brandenburgisches OLG, Beschluss v. 05.06.2014, Az.: 10 UF 47/14)
Autorenprofil
Sandra Voigt
Assessorin, Redakteurin
Juristische Redaktion
anwalt.de – service AG
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