Laut Erhebungen des Statistischen Bundesamtes steigt die Anzahl der statistisch erfassten vermeintlichen „Kindseswohlgefährdungen“ in Deutschland jährlich konstant an. Dementsprechend prüfen die kommunalen Jugendämter vermehrt bei Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls. Gemäß den Daten des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden lag die Zahl der Verfahren im Jahre 2016 bei 136900. In Relation zu den Daten des Jahres 2015 entspricht dies einem Zuwachs der Fallzahlen um 5,7 % – Punkte. Parallel dazu stieg nach Abschluss der jeweiligen Prüfungen ebenso die Anzahl der tatsächlichen Gefährdungen an.
Tatsächliche Gefährdungen nehmen kontinuierlich zu
So stellten Mitarbeiter der kommunalen Jugendämter im Jahre 2016 in 21600 Fällen eine eindeutig akute Kindeswohlgefährdung fest. Dieser Wert belegt einen diesbezüglichen Anstieg um 3,7 % – Punkte im Vergleich zu 2015. Zusätzlich stieg der Wert der Fälle, bei denen eine tatsächliche Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann, um 0,1 % – Punkte auf 24200. In 46600 Fällen lag keine Gefährdungslage vor, dafür aber zusätzlicher Hilfe- und Unterstützungsbedarf. Dies entspricht einem Plus von 8 % – Punkten. 44500 mutmaßliche Kindeswohlgefährdungen erwiesen sich im Jahre 2016 als nicht zutreffend. In diesen Fällen bestand demnach weder eine Gefährdung noch Hilfebedarf; ein Plus von 7,8 % – Punkten gegenüber dem Jahr 2015.
45800 Minderjährige waren im Jahr 2016 tatsächlich Opfer von Kindeswohlgefährdungen. Rund 61,1 % aller Kinder und Jugendlichen, die in dem betreffenden Jahr einer akuten oder latenten Gefährdung ausgesetzt waren, zeigten Anzeichen der Vernachlässigung durch Erziehungsberechtigte. 28,4 % der Personen seien psychisch misshandelt worden. 25,7 % wiesen Anzeichen körperlicher Misshandlungen auf. In 4,4 % der geprüften Fälle konnten Anzeichen für sexuellen Missbrauch festgestellt werden.
Die Familie bietet daher in diesen Fällen keinen Schutz für Minderjährige. Vielmehr gilt es die Familie als Risikofaktor für die individuelle Entwicklung zu verstehen. Ein Verweilen in der Familie wäre in diesen Fällen immer mit weitreichenden negativen Konsequenzen verbunden.
Exemplarisches Beispiel am Jugendamt Hamburg
Diese Entwicklung des fortwährenden und akuten Handlungsbedarfes lässt sich exemplarisch anhand der spezifischen Fallzahlen der Stadt Hamburg belegen. Daten spiegeln explizit den Anstieg der Verfahren im langfristigen Mittel wieder. So verdoppelten sich nahezu die dortigen jährlichen Inobhutnahmen durch das Jugendamt innerhalb eines zehnjährigen Zeitfensters. Im Jahr 2005 lag der Wert bei 1161 Fällen, im Jahr 2016 bereits bei 2140 Fällen. Demgegenüber stieg die Quote des Sorgerechtsentzuges durch das Jugendamt flacher an. Folglich wurden im Jahre 2003 403 – mal ein derartiges Verfahren abgeschlossen. Im Jahre 2016 wurde Erziehungsberechtigten in 536 Fällen das Sorgerecht entzogen.
Primär werden Kleinkinder zu Opfern von Kindeswohlgefährdungen
Laut Statistiken waren im Jahr 2016 Jungen und Mädchen von den Gefährdungseinschätzungen etwa gleich häufig betroffen. Somit lässt sich kein geschlechterspezifischer Überschuss der Betroffenen festlegen. Allerdings belegen die statistischen Daten einen Zusammenhang zwischen Kindeswohlgefährdung und Altersstruktur.
Folglich betrafen 25 % aller Verfahren Kleinkinder im Alter von 0 bis 3 Jahren. Bei 19,4 % der Fälle standen Kinder im Alter von 3 bis 5 im Fokus. Sechs – bis neunjährige Kinder nahmen einen Anteil von 22,7 % der Gefährdungen ein. Somit zunehmendem Alter sinken demnach nachweisbar die Gefährdungseinschätzungen.
Hinweise oft von öffentlichen Institutionen
Überwiegend erhalten die Mitarbeiter der kommunalen Jugendämter relevante Hinweise von Polizei, Gerichten oder Staatsanwaltschaften. 22,1 % aller Verfahren des Jahres 2016 gehen auf diese Institutionen zurück. In 12, 9 % der statistisch erfassten Fälle, äußerten Schulen oder Kindertageseinrichtungen den Verdacht vermeintlicher Kindeswohlgefährdungen. Lediglich 11, 6 % der Hinweise entfallen auf Nachbarn oder Bekannte. 10 % aller Veradachtsaüßerungen werden anonym an die Jugendämter herangetragen.
Größter bundesweiter Zuwachs im Jahr 2016 in Niedersachsen
Die Statistik lässt keine Rückschlüsse auf die Gründe für den bundesweiten Anstieg der Verfahren zu. So wurde nicht explizit untersucht, ob der Zuwachs auf vermehrten tatsächlichen Delikten oder einer erhöhten Anzeigebereitschaft basiert. In Nordrhein- Westfalen wurden im Jahre 2016 mit einem Wert von 35011 Verfahren, bundesweit die meisten Fälle eröffnet. Allerdings weist Niedersachsen mit einem Plus von 15,3 % – Punkten gegenüber 2015 die höchste Steigungsrate auf.
Fazit zum Arbeitszuwachs des Jugendamtes
Der konstante Zuwachs der Fallzahlen ist mit einem gewaltigen Arbeitsaufwand der Mitarbeiter der einzelnen Jugendämter verbunden. Die beschäftigten Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagogen des ASD ( Allgemeiner Sozialer Dienst ) wachen gemäß SGB XIII über das Wohl von Kindern und Jugendlichen. Das Aufgabengebiet der Beschäftigten ist hochkomplex und muss unter schwierigen Arbeitsbedingungen ausgeführt werden. Zur rechtlichen Absicherung ist die Arbeit an eine hohe und strenge Dokumentationspflicht gebunden. Aufgrund dessen sind die angestellten Sozialarbeiter zunehmend überlastet. Deshalb weist der ASD eine verhältnismäßig sehr hohe Fluktuationsrate auf.
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