Nach der Trennung streiten Paare häufig darum, bei welchem Elternteil die gemeinsamen Kinder leben sollen und wie oft der andere seine Sprösslinge sehen darf. Wurde dieser Disput endlich beigelegt, droht aber eine neue Auseinandersetzung, nämlich der Streit ums Geld: Kann der Unterhalt verringert werden bzw. ganz entfallen, wenn die Kinderbetreuung (beinahe) hälftig zwischen den Eltern aufgeteilt wird?
Residenzmodell oder Wechselmodell?
Ein Ehepaar ließ sich scheiden und traf die Vereinbarung, dass die minderjährigen gemeinsamen Kinder bei der Mutter leben, der Vater sie aber an sechs von vierzehn Tagen sehen und betreuen sollte. Da der Vater arbeitslos war, wollte er neben der Kinderbetreuung nicht auch noch Unterhalt zahlen.
Erstens sei er dazu nicht verpflichtet, weil er die Kinder im Rahmen eines Wechselmodells mitbetreue und nicht nur ab und zu Kontakt mit ihnen habe. Zweitens sei er wegen seiner Arbeitslosigkeit gar nicht leistungsfähig. Der Streit um den Unterhalt endete vor Gericht.
Der Vater muss Unterhalt zahlen
Der Bundesgerichtshof (BGH) verpflichtete den Vater zur Zahlung von Unterhalt, vgl. §§ 1601, 1612a I BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).
Grundsätzlich ist zunächst zwischen Barunterhalt und Betreuungsunterhalt zu unterscheiden. Letzteren erbringt ein Elternteil nach § 1606 III 2 BGB durch die Pflege und Erziehung der minderjährigen Kinder, die bei ihm leben. Er muss dann nicht auch noch Barunterhalt zahlen. Die Barunterhaltspflicht trifft vielmehr den anderen getrenntlebenden Elternteil. Diese Regel gilt jedenfalls beim sog. Residenzmodell, bei dem die Kinder in der Wohnung eines Elternteils ihren Lebensmittelpunkt haben – dieser also das Schwergewicht der Betreuungsverantwortung alleine trägt.
Aber auch beim Wechselmodell – bei dem sich die Eltern die Kinderbetreuung hälftig teilen – kann nichts anderes gelten. Ansonsten würde lediglich der Betreuungsbedarf des Kindes gedeckt werden, während beide Elternteile vom Barunterhalt befreit wären. Um ein derart unbilliges Ergebnis zu vermeiden, sind beim Wechselmodell daher beide Elternteile barunterhaltspflichtig.
Im vorliegenden Fall bedeutete dies, dass der Vater in jedem Fall unterhaltspflichtig gewesen wäre – dennoch lehnte das Gericht ein Wechselmodell ausdrücklich ab. Zwar betreute der Vater seine Kinder in einem Maße, das bereits einer Mitbetreuung nahekommt. Rein rechnerisch gesehen betrug sein Betreuungsanteil aber nur 43 Prozent. Ferner trug laut der Vereinbarung zwischen den Kindseltern die Mutter die Hauptverantwortung für ihre beiden Sprösslinge, die bei ihr lebten. Aus diesem Grund nahm der BGH das Residenzmodell an, was wiederum dazu führte, dass der Vater barunterhaltspflichtig war.
Ferner traf den Vater eine gesteigerte Unterhaltspflicht, weil seine Kinder noch minderjährig waren. Demnach muss er alles ihm Mögliche tun, um seinen Sprösslingen wenigstens den Mindestunterhalt zahlen zu können. Stattdessen war der Vater arbeitslos; er hatte somit gegen die gesteigerte Erwerbsobliegenheit verstoßen, weshalb ihm ein fiktives Einkommen zuzurechnen war.
Allerdings gestand das Gericht, dass mit einem erweiterten Umgangsrecht auch eine finanzielle Mehrbelastung einhergeht, z. B. wegen Fahrt- oder Unterbringungskosten. Unter diesen Umständen ist eine Herabstufung um eine bzw. mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle möglich, was wiederum den Unterhalt verringert. Deckt der Barunterhaltspflichtige den Unterhaltsbedarf seines Kindes darüber hinaus auf eine andere Weise, als durch Zahlung von Geld, kann er seine Unterhaltspflicht ebenfalls mindern. Dadurch wird gewährleistet, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil, der seine Kinder über das normale Maß hinaus betreut, keine finanziellen Nachteile hierdurch erleidet (BGH, Beschluss v. 12.03.2014, Az.: XII ZB 234/13).
(BGH, Beschluss v. 05.11.2014, Az.: XII ZB 599/13)
Autorenprofil
Sandra Voigt
Assessorin, Redakteurin
Juristische Redaktion
anwalt.de – service AG
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